Zehn Jahre Hartz IV
Zehn Jahre erfolgreicher Klassenkampf von oben
Die Durchführung der Hartz-Reformen im Rahmen der Agenda 2010 gehören zu einem der größten und erfolgreichsten Angriffe auf die Klasse der Lohnabhängigen und Erwerbslosen in den letzten Jahrzehnten. Die damit verbundene Umstrukturierung des Sozialstaats wird als ein Erfolgsmodell gehandelt - galt die Bundesrepublik 1999 noch als der »kranke Mann Europas«, kann sie sich heute als Krisengewinnerin in der Konkurrenz der kapitalistischen Staaten an vorderster Front behaupten und die Bedingungen dieser Konkurrenz (zumindest in Europa) zu großen Teilen selbst vorgeben. Die Einführung von Hartz IV und die Ausweitung des Niedriglohnsektors in Deutschland haben zu diesem Erfolg wesentlich beigetragen – ein Erfolg, der auf Kosten derjenigen geht, die nichts besitzen als ihre Arbeitskraft. Sie müssen darum bangen, dass an ihrer spezifischen Ware (der Arbeitskraft) überhaupt noch jemand Interesse hat und selbst dann können sie kaum mit einem guten Leben rechnen. Diejenigen, die zur großen Zahl derer gehören, an deren Arbeitskraft schlichtweg kein Interesse besteht (ein Faktor, mit dem der Staat längst kalkuliert ohne die Rückführung in den Arbeitsmarkt überhaupt noch ernsthaft zu erwägen) sind der Willkür, Gängelung und Demütigung der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters ausgesetzt - geradezu neofeudal anmutende Institutionen.
Leider lässt sich nach 10 Jahren Hartz IV konstatieren, dass es kaum effektiv organisierte Gegenwehr gegen diesen Klassenkampf von oben gegeben hat. Während am Anfang noch Proteste gegen Hartz IV aufflammten, muss man heute sagen: die Mehrheit der deutschen Bevölkerung lässt alles mit sich machen. Die Linke hat zu diesem Umstand kaum etwas zu sagen – entweder schmeißt sie die Flinte ins Korn, sobald sie merkt, dass die Arbeitslosen dem Bild vom neu entdeckten revolutionären Subjekt nicht so recht entsprechen wollen oder sie verbleibt auf der Ebene einer abstrakten Ideologiekritik, die ihre eigenen praktischen Bedingungen (die mit Hartz IV sehr viel zu tun haben) kaum reflektiert. Übrig bleiben verschiedene kleine Initiativen, die in vereinzelten Kämpfen praktische Selbsthilfe gegen die Willkür der Ämter organisieren.
Umso notwendiger ist es, einerseits Rechenschaft über einen größtenteils verlorenen Kampf abzulegen (sofern es ihn gegeben hat) und dies theoretisch einzuholen. Andererseits sollten diejenigen Initiativen miteinander ins Gespräch kommen und versuchen eine praktische Perspektive zu finden, die Hartz IV in den vergangenen Jahren den Kampf angesagt haben.
Einen kleinen Beitrag dazu hat das Bildungskollektiv in Zusammenarbeit mit dem DGB-Bildungswerk Thüringen bereits Ende des Jahres 2014 in einem ersten Teil der Veranstaltungsreihe "10 Jahre Hartz IV" geleistet. Diese Bemühungen möchten wir im Frühjahr 2015 fortsetzen und laden hierzu alle Interessierten herzlich ein. Wir freuen uns auf die Diskussionen und hoffen darauf, dass der soziale Frieden in Deutschland bald schon bröckelt.
[zu den Veranstaltungen] [Flyer zur Reihe (600k PDF)]
Zehn Jahre Hartz IV ist eine Veranstaltungsreihe des Bildungskollektiv Biko in Kooperation mit dem DGB-Bildungswerk Thüringen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen
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